Christoph Ohler

Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät

MM: Wann haben Sie zum ersten Mal Talar getragen?

CO: Das ist schon eine Weile her. Das erste Mal war im November 2006 in Jena, nachdem ich hier zum Professor ernannt worden war. In meiner Fakultät ist die Talartradition relativ ausgeprägt. Wir veranstalten als Fakultät jedes Jahr im November eine eigene Promotionsfeierlichkeit, den sogenannten Feuerbachtag. Zu diesem Anlass tragen nahezu alle teilnehmenden Professor:innen Talar. Diejenigen, die das nicht wollen, tragen ihn nicht, während sich die meisten ihrem Schicksal fügen.

MM: Könnten Sie genauer sagen, wie dieser Tag abläuft? 

CO: Das ist ähnlich wie bei der feierlichen Immatrikulation. Es gibt Musik, eine Begrüßung durch den Dekan und eine Festrede für die frischgebackenen Doktor:innen der Fakultät und die meist zahlreichen Gäste. Um den feierlichen Anlass zu verdeutlichen, ziehen die Professor:innen im Talar in die Aula ein.

MM: Was ist das für ein Gefühl, Talar zu tragen? Und gefällt Ihnen eigentlich Ihr Talar?

CO: Mittlerweile finde ich das nicht mehr eigenartig. Beim allerersten Mal hatte ich das Gefühl, ich bin beim Fasching (lacht). Dieses Gefühl hielt auch einige Zeit an. Heute betrachte ich das nüchtern. Aber ich finde, dass die Talare dringend überarbeitet werden müssten. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass Nähte aufgegangen sind. Vielleicht wäre das eine Aufgabe der Kustodie, sich deswegen mit einer Schneiderei in Verbindung zu setzen. Mir ist bewusst, dass ohne die Sorgfalt und die Mühe der Kustodie es gar nicht möglich wäre, diese Amtstracht weiter nutzen zu können und dafür spreche ich meinen Dank aus. Ansonsten bin ich nicht wählerisch, was die äußere Gestaltung und die Farbe angeht und betrachte es, wie gesagt, als eine Frage der Tradition, unter die ich mich beuge. 

MM: Finden Sie, dass das Talartragen aus der Zeit gefallen ist?

CO: Bezogen auf Deutschland könnte man meinen, dass es aus der Zeit gefallen ist. Anders ist die Lage im angelsächsischen Raum und in Ländern, die durch diese Bildungssysteme beeinflusst sind. Dort wird der Talar zu feierlichen Anlässen regelmäßig getragen und niemand stellt das in Frage. In Deutschland ist der große Bruch während der studentischen Revolte im Jahr 1968 entstanden. Diese führte praktisch an allen Universitäten, jedenfalls im damaligen Westdeutschland, zu einer Abschaffung dieser Tradition. Hier in den ostdeutschen Bundesländern hat man nach 1989 dagegen versucht, an ältere Traditionslinien wieder anzuknüpfen, um akademisches Selbstbewusstsein zu schaffen.

MM: Sie sind auch am Thüringer Verfassungsgericht tätig. Wie unterscheiden sich Richterroben von Talaren?

CO: Das ist im Grunde genau das gleiche Gewand. Es ist nur nicht so schwer wie der Talar hier an der Universität. Die Roben sind aus einer etwas leichteren Wolle. Sie sind schwarz mit einem Samtkragen. Die Robe bildet die Amtstracht der Richter:innen, die bei jeder mündlichen Verhandlung getragen werden muss. Sie hat die Funktion, den Unterschied zwischen dem öffentlichen Amt der Richter:innen und ihrer Person zu verdeutlichen. Insofern trage ich diese Robe auch mit Selbstverständlichkeit. Dagegen hat der akademische Talar in erster Linie eine Traditionsfunktion. Der Talar soll die Besonderheit einzelner Feiern hervorheben, also einen Unterschied zwischen Alltag und Fest herstellen und diesen nach außen deutlich machen. Vielleicht hängt der Unterschied zwischen Richterrobe und Talar auch mit den unterschiedlichen Traditionslinien zusammen. Für die Justiz hat es keine Unterbrechung bei der Nutzung dieser Amtstracht gegeben. Das Tragen der Robe ist auch heute noch allgemein akzeptiert. Hingegen gab es bei den akademischen Talaren die große Unterbrechung in der Tradition. Immer wieder musste die Frage an jeder Universität neu beantwortet werden, wollen wir das wieder und wenn ja, mit welcher Zielsetzung?

MM: Herr Ohler, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch und Ihre Zeit.

 

Das Interview wurde geführt von Melanie Münzberg, Studentin der Neueren Geschichte.