Thomas Kamradt

Dekan der Medizinischen Fakultät

LS: Obwohl Sie den Talar in diesem Jahr nicht zur feierlichen Immatrikulation getragen haben, haben Sie doch bestimmt schon mal gehört, dass Sie einen Talar tragen müssen?

TK: Ich habe es nicht nur gehört, ich habe es auch gemacht, das war während der Corona Zeit. Anlass war die Absolvent:innenverabschiedung der Medizin 2021 und die wurde pandemiebedingt per Video gemacht. Ich habe für eine Videobotschaft einen Talar getragen und meine erste Reaktion war skeptische Neugierde. Meine damaligen Eindrücke waren: „ein muffig riechendes Kleidungsstück“ und „fühlt sich ein bisschen an wie ein Bademantel“. Das Ganze hatte für mich etwas Karnevaleskes. Das Barett war für meinen Kopf zu klein.

LS: Der Talarstoff ist ein bisschen dick, war Ihnen nicht warm darin?

TK: Doch, das war im Hochsommer!

LS: Was denken Sie, würde eine Art Gruppengefühl entstehen zwischen den Professor:innen, die einen Talar tragen bei der feierlichen Immatrikulation?

TK: Das Gruppengefühl ist ja schon vorher da, die Dekan:innen kennen sich untereinander, solche uniformartigen Kleidungsstücke dienen auch zur Identifikation. Ich vermute, dass es so ist, ich habe noch nie eine Live-Veranstaltung mit mehreren Dekan:innen in Talaren mitgemacht, das Gruppengefühl könnte dadurch noch mal verstärkt werden. Über die Kleidung kann die Zugehörigkeit ausgedrückt und verstärkt werden.

LS: Würden Sie an der Farbe Ihres Talars etwas ändern wollen?

TK: Die Farbe gefällt mir. Selbst wenn ich eine furchtbare Farbe bekommen hätte, die der Fakultät angehört, würde ich diese Farbe versuchen, mit Würde zu tragen. Ich repräsentiere nicht meinen Geschmack, sondern symbolisiere das Dekanat der Fakultät.

LS: Finden Sie, dass das Talartragen aus der Zeit gefallen ist?

TK: Ich persönlich finde das, dies mag auch eine Generationsfrage sein. Ich wurde von der 1968er Generation erzogen, die gegen die Talare auf die Straße gegangen ist mit dem Motto “Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren”. Es ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, ich würde mich aber auch nicht sträuben, einen Talar zu tragen.

LS: Also haben Sie mehr Gründe für das Abschaffen des Talars?

TK: Als Dekan habe ich eine Rolle zu erfüllen. Der Dekan der Medizinischen Fakultät hat ein oder zweimal im Jahr bei der Immatrikulation und bei der Absolvent:innenverabschiedung einen Talar zu tragen, dann ist es ein Teil der Arbeitsbeschreibung. Wenn ich meinen persönlichen Intuitionen folgen würde, käme ich nicht auf die Idee, den Talar zu tragen.

LS: Haben Sie mal mit Kolleg:innen, die nicht Talar tragen, über die Tradition in Jena gesprochen? Wie haben sie darauf reagiert?

TK: Das habe ich in der Tat ein einziges Mal gemacht bei der Absolvent:innenverabschiedung mit einem Kollegen, der die Tradition ganz wichtig fand. Das war jemand, der durchaus ein ganz fortschrittlicher Mensch ist, er war aber sehr für diese Tradition.

LS: Wie war es bei Ihnen, als Sie immatrikuliert wurden? Gab es damals eine feierliche Immatrikulation? Nahmen Sie teil? Wie lief es damals ab?

TK: Ich musste bei der Frage ein bisschen schmunzeln. Nein, man ging mit dem, was einen berechtigt hat, sich zu immatrikulieren, in die Universität. Ich habe mir Sorgen gemacht, ob ich überhaupt unterschreiben darf, da ich damals nicht volljährig war. Ich habe mir die Blamage vorgestellt, die entstanden wäre, wenn der Mensch hinter dem Schalter gesagt hätte: “Du darfst hier überhaupt nicht unterschreiben, komme mit deinen Eltern wieder”, und die lange Schlange hinter mir hätte dies mitbekommen. Das war zum Glück nicht der Fall, aber das war die feierliche Immatrikulation damals in Köln.

LS: Ich danke Ihnen für das Interview und dass Sie Zeit für uns gefunden haben.

 

Das Interview wurde geführt von Lena Safin, Studentin der Kunstgeschichte und Filmwissenschaft.